Vom Buch zum Film – der Streit um die Adaption

Deutschklausur: Erörterung pragmatischer Texte
Thema: Literaturverfilmungen
Erhöhtes Anforderungsniveau, Zweites Halbjahr
Luna Theia, 12. 04. 2021


Bei der Quelle handelt es sich um einen appellierenden Text, genauer genommen einen Kommentar, von Nina Jerzy mit dem Titel „Wer das Buch ignoriert, macht bessere Filme.“
Der Text wurde 2019 im Internet auf der Seite der NZZ veröffentlicht und handelt von der laufenden Debatte, inwieweit eine Buchverfilmung der Quelle gleichen muss.
Als Grundlage hierfür nimmt sie die Verfilmung „If Beale Street Could Talk.“
Die Grundaussage des Textes ist die Wichtigkeit dessen, dass der Film das Buch und den Autor zwar ehrt, jedoch auf eigenen Beinen steht und so für Leser und Nichtleser des Buches genießbar ist.

Immer wieder erwähnt die Autorin den „blinden“ Gang ins Kino und dessen Bedeutung für das Filmerlebnis. Mit Vorwissen eines Buches ist der Kinobesucher bereits vorgeprägt und so kritisch allem gegenüber, was ihm oder ihr im Film präsentiert wird.
Hat man jedoch keine, oder zumindest keine allumfassenden Vorkenntnisse über die Geschichte, so wird einem die Möglichkeit gegeben, sich mehr auf den Film einzulassen.

Auch schneidet die Autorin die Problematik an, dass bei einer vollständig auf dem Buch
basierenden Verfilmung ohne Veränderung vor allem aus einem schlechten Buch auch nur ein schlechter Film werden kann. Somit können gewisse Änderungen nur von Vorteil für das Werk sein.
Sie bringt im Laufe ihres Textes viele Beispiele von gelungenen und ungelungenen Filmadaptionen und erläutert deren Bedeutung für ihr Argument.

Am Ende schließt der Text mit dem Fazit ab, dass „If Beale Street Could Talk“ eine gelungene Filmadaption sei, da der Regisseur sich von einer komplett treuen Verfilmung lossagte, um mehr Freiheit in seinem Werk zu haben. So, meint die Autorin, bieten Buch und Film derselben Geschichte eigene Perspektiven und schließen sich nicht aus.


Die Position der Autorin ist leicht aus ihrem Text herauszulesen: Eine Buchverfilmung ist dann gut, wenn sie es schafft etwas neues zu bieten, ohne das Originalwerk zu missachten. Natürlich ist eine Kopie des Buches schön und gut, jedoch kann diese durch eigene Perspektiven und Ideen des Regisseurs, sowie die Nutzung des Films als Medium richtig ausgenutzt dem Werk noch die Krone aufsetzen. Ihr Beispiel von „Fight Club“ (Zeile 61) stellt genau das sehr schön da.

Dem kann ich auf der einen Seite auch voll zustimmen.

Was der Text immer wieder klar macht ist die Bedeutung der Adaption. Ein Buch, ein fertiges Werk, gelungen in ein anderes Medium zu übersetzen ist eine Aufgabe, die viel Präzision und Können erfordert. Eine Szene, die in einem Buch über viele Seiten beschrieben wird, kann in einem Film eine Sequenz von nur wenigen Sekunden einnehmen. Lange Texte und blumige Ausführungen können nicht eins zu eins übernommen werden, da es schlichtweg weder Zeit noch Platz in einem Film dafür gibt. Dafür sind Schauspiel, Musik und Farbpalette zusätzliche stützende Erzählfaktoren, die ein Buch nicht bieten kann. Eine gelungene Adaption ist sich diesem bewusst und nutzt es für ihren Vorteil.


Ein gutes Beispiel hierfür ist das Buch „Coraline“ von Neil Gaiman und die gleichnamige
Filmadaption. Ob solch ein Horror für Kinder existieren sollte, darüber lässt sich streiten, jedoch handelt es sich bei dieser Adaption um ein wahres Meisterwerk.
Die Verfilmung orientiert sich wunderbar an ihrer Quelle und schafft es, die schaurige Stimmung beizubehalten, die das Buch bietet. Jedoch kommt dies nur dadurch so gelungen zur Geltung, dass die Geschichte hier und da abgewandelt wurde. Charaktere sowie der Verlauf der Geschichte wurden so angepasst, dass der Film einen angenehmen und sinnvollen Verlauf haben konnte.
Wo das Buch viel Tiefe und Verworrenheit zu bieten hat, kann der Film mit einer klaren und doch verwunschenen Handlung glänzen. Abgerundet wird das ganze dann mit atemberaubenden Farben, Animation und Musik.

An dieser Verfilmung lässt sich erkennen, was auch die Autorin immer wieder mit ihrem eigenen Beispielen betont: Der Film und das Buch sind separate Werke mit ihren jeweiligen
medienbasierenden Vor- und Nachteilen. Hat man zu erst das Buch gelesen, so bietet der Film neue und zusätzliche Eindrücke, die das Originalwerk nicht vorweisen konnte und umgekehrt.
Dieser Schritt weg von der Grundgeschichte, die man so sehr liebt, ist in vielen Fällen schwer. So will man doch den Kinobesuchern das Gefühl vermitteln, dass man beim Lesen des Buches hatte.
Auch die Autorin weist auf diese Problematik mit ihrem Beispiel von „Gone Girl“ (Zeile 54) hin.
Eine Kopie des Buchs ist vielleicht durch den Medienwechsel interessant, jedoch ist das meist schon alles, was Interesse weckt. Hat man das Buch oder den Film konsumiert, so ist das jeweils andere überflüssig. Was für eine Verschwendung einer Adaptionschance.


Bei meinen eigenen Versuchen an der Adaption von Medien, in diesem Fall die Umschreibung von Büchern und Filmen in Theaterstücke, ist mir eben dies schnell aufgefallen. Anstatt zu versuchen, das Originalwerk zu beweihräuchern, ist es das beste das gegebene mit einem interessierten und doch professionellen Blick zu betrachten.

Das heißt jedoch auch, dass man sich auch den Vorteilen des Werkes sehr stark bewusst sein muss.
Warum ist dieses Buch so gut? Was macht es so besonders?
Denn auf der anderen Seite ist etwas, was die Autorin meiner Meinung nach nicht genug
berücksichtigt, die nicht gelungene Abwandlung von Filmen, die auf Büchern basieren.
Immer wieder erwähnt sie Filme, die entweder durch einen schlechten Originaltext, oder durch eine langweilige eins zu eins Adaption nicht gelungen sind, wie „Fifty Shades Of Grey“ (Zeile 25) oder „Gone Girl.“

Dabei ignoriert sie jedoch die Schattenseiten einer Abwandlung des Originalwerkes.


Als Beispiel hierfür nehme ich das Buch „Nur drei Worte“ (Original: Simon Vs. The Homosapien Agenda) von Becky Albertalli und die darauf basierende Verfilmung „Love, Simon.“

2018 war ich mit einigen Freunden im Kino um eben diese Verfilmung zu sehen.
Während meine Freunde sich nach Ende des Filmes angeregt über die Handlung unterhielten, lies mich ein unglaubliches Unwohlsein nicht los.
Der Film hatte mir nicht gefallen.
Dies lag weder am Thema, noch an der Qualität des Films an sich, sondern vielmehr an der willkürlich wirkenden Handlung und dem unbefriedigenden Ende.
Das alles ohne das Buch je gelesen zu haben. Jedoch hatte ich nach diesem Filmerlebnis auch alles andere als das Verlangen, ebendies zu tun.
Zwei Jahre später allerdings, in der Tiefe der ersten Quarantäne, stolperte ich über das Hörbuch der Geschichte. Ohne etwas zu verlieren zu haben, gab ich ihm eine Chance und erhielt eine interessante Erkenntnis.
Obwohl auch das Buch hier und da seine Makel besitzt, war dessen Handlung sehr viel zielführender, sinnvoller und angenehmer als der Film es umgesetzt hatte.
Die sieben Stunden Audiomaterial kamen mir durch die gut durchdachte Erzählung weniger langatmig vor, als es der Film gewesen war.

Worauf will ich hiermit hinaus? Nun, der Regisseur des Films hatte offensichtlich versucht, eine auf dem Buch basierende Adaption zu verfassen, ohne das Buch direkt zu kopieren. Das ist mutig und laut Nina Jerzy‘s Text die beste Herangehensweise.
Jedoch scheiterte er daran, die richtigen Aspekte des Originalwerks zu verändern.
Anstatt Fehler auszubügeln oder das Mediums des Films für sich zu nutzen, entnahm dieser Film der Geschichte vieles von dem, was sie dazu brachte zu funktionieren.
Anstatt, wie Nina Jerzy sagte, auf eigenen Beinen zu stehen, wurde dem Film sein Standbein entnommen.

Auch sollte man, wie der Titel so schön provoziert, meiner Meinung nach bei einer Verfilmung das Buch nicht ignorieren. Der Film basiert aus einem Grund auf dem Buch, selbst wenn dieser Grund noch so klein ist.
Allerdings macht die Autorin im Laufe des Textes klar, dass sie damit lediglich meint, dass das Buch den Film und dessen Freiheit nicht kontrollieren sollte und damit hat sie vollkommen Recht.
Am Ende des Tages ist es die kreative Freiheit des Regisseurs oder des Drehbuchschreibers, die den Film gut macht. Diese sollte nicht von einem „Muss“ des Buches eingeschränkt werden.
Denn, wie die Autorin es so schön gesagt hat, verfilmen gute Regisseure nicht – sie adaptieren und feiern das Original (Zeile 4).


Zusammenfassend kann ich also sagen, dass ich der Autorin in ihrer Aussage zustimme, dass eine Filmadaption keine Kopie des Buches sein und vielmehr das Originalwerk ehren sollte.
Allerdings sollte man dabei achtsam und bewusst vorgehen. Einen Film zu produzieren ist unglaublich schwer, vor allem wenn man bereits ein Werk hat, auf dem er basiert.
Deshalb ist es wirklich die schlauste Vorgehensweise, sich an dem Originalwerk zu orientieren.
Anstatt zu kopieren, sollte man adaptieren. Anstatt sich wage am Rahmen des Originals entlangzuhangeln lohnt es sich, zu analysieren, was daran funktioniert und beibehalten werden sollte.

Eine Filmadaption ist eine wunderbare Chance, viele Menschen zu begeistern und ihnen eine Geschichte nahezulegen, der sie sonst in einem anderen Medium nie begegnet wären. Durch gutes
Nachdenken und Ausprobieren, einer Faszination am Original und dem bewussten Umgang mit dem Film als Medium kann ein Produkt entstehen, das den blinden, sowie den buchaffinen Kinogänger begeistert.

Schreibe einen Kommentar