„Guten Morgen, du Schöne“ – ein Klassiker mit großem Stellenwert

Quelle: persönliche Zeichnung

„Guten Morgen, du Schöne“ ist ein spannender Sammelband aus DDR-Zeiten. Das Buch ist trotz seines Alters immer noch thematisch aktuell und parallel dazu ein Zeitrelikt von vor 45 Jahren. Wie die Autorin es schaffte ein so zeitloses Buch zu schreiben, liegt allenfalls an der vielfältigen Handlung des Buches. Inhaltlich beschäftigte sich die Autorin mit dem Leben von weiblichen DDR Bürger_innen, welche sie wiederum in 19 Einzelgeschichten  innerhalb 281 Seiten porträtiert. Dass im November 1977 erschienene Buch wird heute über den Suhrkamp Verlag vertrieben. 

Ich finde das „Guten Morgen, du Schöne“ zu den Klassikern gehört, die man ab einem bestimmten Alter mal gelesen haben sollte. Das schöne an dem Buch ist, dass es durch die 19 Einzelportraits eine Vielfältigkeit an Perspektiven liefert, die sich mit alltäglichen Themen wie: Leben (in der DDR), Frau sein, Liebe, Familie, Arbeit, Ängste, Wohnungssuche, Sexualität, Politik und Selbstbestimmung befassen. Das aktuelle Buch beinhaltet zudem noch zwei Gedichte und ein Vorwort von Christa Wolf. 

Beim lesen findet man sich in einigen Texten oder Gedanken wieder, in anderen auch nicht, diese Gegebenheit macht das Buch so besonders. Denn die unterschiedlichsten Blickwinkel auf das Leben werden nüchtern und ohne Wertung dargelegt. Natürlich finden sich deshalb auch Perspektiven, die nicht besonders emanzipatorisch sind. 

Die Anerkennung und das sichtbar machen von weiblicher Existenz ist damals wie heute von großer Bedeutung. Das Buch ist insgesamt durch und durch politisch, da es die  Stellung von Frauen in der Gesellschaft begutachtet, aber vor allem auch wegen der indirekten Kritik am DDR-Regime, welche man „zwischen den Zeilen“* lesen konnte, -so eine Zeitzeugin. In einem Gespräch mit einer Zeitzeugin habe ich das Buch noch einmal genauer betrachtet, und es stellte sich heraus, dass dieses Buch für diese Person aus verschiedenen Gründen einen großen Stellenwert hat. Für die Interviewte war das Buch wie ein Augenöffner und Begleiter in Zeiten der DDR. „Das Thema Frau sein war im Mittelpunkt“*, das war besonders, denn in anderen Bereichen des Alltags galt dieser Aspekt als einer der „sonst nicht so thematisiert wurde“*. In der Verfassung der DDR war zwar die Gleichberechtigung von Frauen und Männern klar festgeschrieben, dennoch sah die „gelebte [Gleichberechtigung]“* anders aus. Das Buch `Guten Morgen, du Schöne´ verdeutlicht  diese Ungleichheit. Bemerkenswert war und ist heute immer noch der Mut den die Autorin an den Tag legte, um diese Gegebenheiten anzusprechen und sie damit auch zu kritisieren. Für Kritik war das  DDR-Regime nicht offen und auch bei Maxie Wanders Buch handelte sich um „Kritik an gesellschaftlicher Realität, wie es sonst nicht erlaubt war“*. Alles in allem hatte dieses Buch eine große Wirkung, vor allem aber würdigte es die Leistungen von Frauen in der DDR und zeigte auf, dass in Sachen Gleichberechtigung noch Luft nach oben war, -und immer noch ist. 

Maxi Wander schreibt auf eine Weise, die einfach zu verstehen ist, dabei haben die Formulierungen der jeweils Interviewten Person mit gewirkt, denn die Grundlage für die Geschichten waren Interviews. Der Stil ist deshalb recht umgangssprachlich, was das Buch so authentisch macht. Das Vorwort von Christa Wolf ist im Vergleich zu den anderen Texten komplizierter geschrieben.

Gewiss braucht es an manchen Stellen des Buches einen historischen Kontext, um den Inhalt zu verstehen, oder an anderen Stellen fällt eine eigenartige Formulierung auf, aber diese Punkte überschatten keinesfalls den Wert des Buches.

Ich persönlich finde die Vorbemerkung der Autorin besonders schön, da sie kurz und knapp ihre Perspektive auf das Buch darlegt. Zitate** wie „Ich halte jedes Leben für hinreichend interessant, um anderen mitgeteilt zu werden. […] Entscheidend war für mich, ob eine Frau die Lust oder den Mut hatte, über sich zu erzählen.“ oder „Wir suchen nach neuen Lebensweisen, im Privaten und in der Gesellschaft. Nicht gegen die Männer können wir uns emanzipieren, sondern nur in der Auseinandersetzung mit ihnen. Geht es uns um die Loslösung von den alten Geschlechterrollen, um die menschliche Emanzipation überhaupt.“ verdeutlichen klar ihren Standpunkt. 

Der Vorteil den diese Schreibweise bietet ist, dass man das Buch für einige Zeit weg legen, oder manche Geschichten überspringen kann – wobei ich das nicht anrate, da jede Geschichte ihre Daseinsberechtigung hat! Alles in Allem empfehle ich dieses Buch für die weiter, die Lust haben ihren Horizont sowohl historisch als auch perspektivisch zu erweitern. Außerdem möchte es all denen  ans Herz legen, die Interesse an lauten, leisen, alten, jungen, kritischen, konservativen, und vielen weiteren Frauenstimmen haben.

* Quelle: (Anonym (2022); persönliches Interview; Halle Saale)

** Quelle: (Wander, Maxie (1977); Guten Morgen, du Schöne -Protokolle nach Tonband; Auflage 1; Berlin; Der Morgen; S.9-10) 

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