„Des Pudels Kern“

Stellen Sie sich vor, Sie wachen an einem Ostermorgen auf und entschließen sich, einen Spaziergang zu machen. Vielleicht nehmen Sie sich noch einen Freund mit. Da es ein sehr schöner Tag ist, begegnen Sie vielen verschiedenen Menschen. Bei Ihrem Osterspaziergang könnten Sie sich über alles Mögliche unterhalten, bis Sie sich dazu entschließen, bei einem Stein zu rasten. Doch dann passiert etwas seltsames: ins Gespräch vertieft bemerken Sie einen schwarzen Pudel. Das Tier kommt Ihnen etwas unheimlich vor, trotzdem beschließen Sie, ihn mit zu sich nachhause zu nehmen. Dort angekommen verhält sich das Tier weiterhin seltsam und verwandelt sich schließlich in den leibhaftigen Mephistopheles.

Was fühlen Sie jetzt? Erschrecken, Erstaunen, Verwunderung vielleicht. Bis 1790 wären Ihnen lediglich ein „Oh Schreck“ oder „Huch“ entfahren, doch dank Goethe kommt heute in solch einer Situation nur noch: „Das also war des Pudels Kern!“

Diese Wendung ist ein Zitat aus Goethes „Faust“. Ein Pudel, der sich während des Osterspaziergangs zu Faust und Wagner gesellt, entpuppt sich im Studierzimmer als Mephisto. Da Faust sich mit Schwarzer Magie beschäftigt, erkennt er sogleich durch die Art der Verwandlung den Abgesandten der Hölle: „Das also war des Pudels Kern!“ Dem Protagonisten ist also etwas ganz ähnliches passiert wie Ihnen.

Das also war des Pudels Kern!

Ein fahrender Skolast? Der Kasus macht mich lachen.

Johann Wolfgang von Goethe, Faust

Doch warum gerade ein schwarzer Pudel? Goethe nutzte hier ein Motiv aus altüberlieferten Germanischen Vorstellungen. Im Aberglauben verbirgt sich im Hund eine teuflische Natur und es gibt viele Sagen von riesengroßen schwarzen Hunden mit glühenden Augen (vergleiche auch der Grimm in „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“). Der Teufel wählte sich hier gern die Gestalt eines schwarzen Hundes, insbesondere eines Pudels. 

Heutzutage hat sich dieses Zitat zu einer fest gebräuchlichen Redewendung entwickelt. Es wird genutzt, um auszudrücken wenn wir etwas herausgefunden haben, was zunächst nicht offensichtlich war. Wie in dem oben angeführten Gedankenexperiment. Andere Beispiele wären:

Als könnte sich irgendjemand der Faszination dieser Technologien entziehen. Doch gerade das, um ein aktuell von Google gelesenes Buch zu zitieren, ist ja des Pudels Kern: Es gibt diese Vorstellung nicht nur nicht – die soziale Welt vor dem Netz versinkt auch immer mehr ins Vergessen.

Frank Schirrmacher, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.12.2009

Ohne Metaphysik und Transzendenz, das ist des jungkonservativen Pudels Kern, kann sich Gerechtigkeit nur leisten, wer im Wohlstand lebt.

Die Zeit, 10.10.1997, Nr. 42

Nun kennen Sie also die Herkunft eines weiteren Zitates und können sich dieses Sprichwort etwas besser erklären. Mit anderen Worten: Sie kennen nun des Pudels Kern von „des Pudels Kern„.

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